Es gibt kein Leben ohne gestaltete Form. Jede Form von Bildung ist immer auch „Selbstformung“, die im künstlerischen Prozess sichtbar umgesetzt und als Kunstwerk erscheint. Im Außenraum, z.B. auf einer Leinwand, nimmt dasjenige Gestalt an, was sich im Innenraum des Menschen aufgrund seiner Teilnahme an der Lebenswelt und damit seiner Lebenserfahrungen geformt hat. Folglich bewegt sich jeder Mensch zwischen innerem Erleben und der Verwirklichung im Äußeren. Der Mensch ist so veranlagt, dass er durch seine Sinne auf jede formgewordene Lebensäußerung (Gestalt – Bewegung – Farbe) reagiert. Dieses Bedürfnis und diese Fähigkeit wohnen ihm seit Geburt inne. Hieraus entsteht auch das Interesse an Formen in unserer Umgebung und folglich auch das eigene Bedürfnis, selbst ein Formender, ein Gestaltgeber zu werden. Da sich die künstlerischen Gestaltungsanlässe nicht aus der Kunst selbst ergeben, sondern aus der Lebenswelt jedes einzelnen Menschen, ist dasjenige, was für das Leben gilt, gleichermaßen auch für den künstlerischen Prozess gültig. Ein Maler betrachtet während seiner Arbeit immer wieder Formen und Farben als „sein Gegenüber“ auf der Leinwand. Er ist mit ihnen „im Dialog“, er findet sich konfrontiert mit den Formen und Farben, die zwar ursprünglich aus seinem Inneren aufgestiegen sind, jedoch immer mehr für sich und von sich selbst sprechen. Mit guter Konzentration kommt der Maler in die Anschauung über das Geschaffene und versucht, sich darüber ein Urteil zu bilden. Seine Urteilsfähigkeit entscheidet schließlich darüber, ob überhaupt oder auf welche Weise weiterzuarbeiten ist. Der künstlerische Arbeitsprozess ist daher ein „anschauliches Tun“, ein „Sehen-und-Erkennen-Lernen“. Auf diese Weise wird sich über lange Zeit, die häufig auch die eine oder andere Krise beinhalten mag, eine persönlich-künstlerische Handschrift herausbilden, die von Sicherheit und Freude geprägt ist. Die eigene Urteilsfähigkeit des Künstlers ist folglich die wichtigste Grundlage für seine Arbeit.
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